Der Mediziner Reinhard Schaupp und der Jurist Herbert Trimbach referierten über das Thema Pandemien und Globalisierung. Mit über 50 TeilnehmerInnen war die Kooperationsveranstaltung von Europa Union und VHs in der Aula der Grund-und Mittelschule am Mönchsturm Hammelburg ausgebucht.

Schaupp gab einen Überblick der Seuchengeschichte von den Anfängen der Menschheitsgeschichte bis in die Neuzeit. In der Jungsteinzeit kam es durch eine Pestepidemie zu einer Entvölkerung Europas. Die ansässige bäuerliche Kultur wurde durch die Jamnaja Halbnomaden aus der eurasischen Steppe verdrängt. In der Antike kam es im 2. Jahrhundert zu einer Pockenpandemie mit mehr als 5 Millionen Opfern, eingeschleppt aus dem Zweistromland von römischen Legionären.  Die so genannte Justinianische Pest im 6. Jahrhundert hatte ihren Ursprung im Nildelta, erreichte durch Handelsschiffe Byzanz und verbreitete sich von dort in ganz Europa und in Palästina. Auch der schwarze Tod im Mittelalter wurde durch genuesische Handelsschiffe vom Schwarzen Meer nach Europa gebracht und forderte circa 25 Millionen Menschenleben, ein Drittel der damaligen europäischen Bevölkerung. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Pestausbrüchen in der Welt.

Die Cholera war seit dem Altertum im Gangesdelta heimisch und erreichte in mehreren Wellen im 19. Jahrhundert Europa. In Deutschland waren es die Mediziner Robert Koch, der das Bakterium im Trinkwasser nachwies und der Münchner Max von Pettenkoffer, die durch Trinkwasserhygiene zum Ausrotten der Krankheit wesentlich beitrugen.

Die Pocken bezeichnete Schaupp als „das besiegte Virus“. Durch die Entdeckung der Pockenimpfung im Jahr 1796 durch Edward Jenner, die schrittweise Einführung einer Impfpflicht und eine weltweite Impfkampagne konnten die Pocken 1979 für ausgerottet erklärt werden.

Das Grippevirus existiert zwar seit etwa 3200 Jahren, bekannt sind aber verschiedene Grippepandemien seit Ende des 19. Jahrhunderts. An der aktuellen Covid19- Pandemie starben bisher weltweit 4,8 Millionen Menschen.

Mehr als 60 % der menschlichen Infektionskrankheiten werden durch Keime verursacht, die vom Tier auf dem Menschen überspringen. Pandemien entstehen laut Schaupp dann, wenn die übertragenen Keime von Mensch zu Mensch weiter gereicht werden. Kriegsereignisse waren oft Wegbereiter von Epidemien. Auch Handelsschiffe und Landkarawannen waren ideale Transportmedien für die die Krankheiten auslösenden Bakterien und Viren.

Die „DNA der Weltrisikogesellschaft“ ist gekennzeichnet durch die Globalisierung mit ihren Wertschöpfungsketten. „Zeitgenossenschaft ist heute gleichzeitig Raumgenossenschaft“, so der Referent. Weitere Kennzeichen unserer Risikogesellschaft sind laut Schaupp der Wettbewerb von Mensch und Tier um Lebensräume, die Klimaveränderung und die Zerstörung der Wälder. Nach Schätzungen von Virologen gibt es noch mehr als eine Million bekannte Viren auf der Welt, von denen sicher sehr viele das Potenzial haben beim Menschen Krankheiten auszulösen.

Zum Schluss erläuterte Schaupp wie Pandemien geo- und gesellschaftspolitische Veränderungen induzierten. Beispiele sind die Zerstörung des Mongolenreiches im 14. Jahrhundert durch eine Pestepidemie oder die Dezimierung der indigenen Bevölkerung der Amerikas durch von den Eroberern eigeschleppte Keime.

Herbert Trimbach befasste sich in seinem Referat mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Regelungen der Corona Pandemie

Der frühere Hammelburger SPD Stadt- und Kreisrat erklärte, dass letztlich alle Regeln, ob einzelne Verwaltungsakte oder Bußgelder, Rechtsverordnungen auf denen Versammlungsverbote oder Ausgehverbote oder auch das Infektionsschutzgesetz beruhten, mit dem überragenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit übereinstimmen müssen. Vor allem Regelungen zu Beginn der Pandemie hatten sicherlich einige Defizite, sodass es gerade in Bayern auch Aufhebungen durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München gegeben habe, erläuterte der Referent. Grundsätzlich seien aber die meisten Regeln notwendig und angemessen gewesen, da der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ein überragendes Schutzgut des Grundgesetzes und auch der Bayerischen Verfassung sei. Vermutlich werde dies auch das Bundesverfassungsgericht so sehen, dessen Präsident in Erklärungen zum 70. Geburtstag des Gerichts am 28.September eine Grundsatzentscheidung noch in diesem Jahr angekündigt habe.

In der lebhaften Diskussion nach den Vorträgen, insbesondere auch zum hochumstrittenen. Impfzwang erklärte Dr. Trimbach, dass ein allgemeiner Impfzwang, trotz unbestreitbarer Vorteile für die“ Herdenimmunität“ nicht kommen werde, aber eine Verpflichtung für spezielle Berufsgruppen zum ,„Schutz vulnerabler Menschen“ von den Gerichten wohl nicht gekippt würde.

Beitrag: Dieter Galm; Foto: JSch