Die Weimarer Verfassung war besser als ihr Ruf, erläuterte Reinhard Schaupp bei einem gut besuchten Podiumsgespräch im Europa Haus. Gescheitert ist die Weimarer Republik nicht an Konstruktionsfehlern ihrer Verfassung, sondern an der Entschlossenheit der Monarchisten sie zu beseitigen, notfalls auch mit Hilfe von Demagogen wie Adolf Hitler.
Es gab zu wenig Demokraten, die bereit waren die Demokratie zu verteidigen, so Schaupp. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, der 1949 das Grundgesetz gestaltete wurden von den Länderparlamenten bestimmt. Es stellt sich deshalb die Frage, welche demokratische Legitimation unser Grundgesetz besitzt, nachdem es nicht durch eine Volksabstimmung in Kraft gesetzt wurde. Andererseits gibt es in der Rechtsphilosophie ein „übergesetzlichen Recht“ und ein „christliches Naturrecht“, die zur ihrer Realisierung kein durch einen Volkswillen legitimiertes Regelwerk benötigen, so Reinhard Schaupp in seinem Referat. Auch bei der Wiedervereinigung nach 1989 kam es nicht zu einer demokratischen Neugründung Deutschlands, wie es nach Artikel 146 unseres Grundgesetzes möglich gewesen wäre. Vielmehr erfolgte die Wiedervereinigung durch einen Beitritt der neuen Bundesländer gemäß Artikel 23 GG.
Ministerialdirigent Herbert Trimbach vom Innenministerium in Potsdam machte deutlich, dass bei einer Weiterentwicklung der EU zu einem föderalen europäischen Bundesstaat dies nur durch die im Artikel 146 aufgeführten Bestimmungen möglich ist. Vom deutschen Volke müsste dann eine neue Verfassung „in freier Entscheidung beschlossen werden.“ Nach Trimbach ist die Weimarer Republik auch deshalb gescheitert, weil die Justizorgane teilweise mit reaktionären antidemokratischen Richtern besetzt waren. Auch bei der Neugründung nach 1945 war die Rolle der Justizorgane nicht unproblematisch, woraus in den Anfangsjahren der BRD ein regelmäßiger Kompetenz- und Interpretationsstreit zwischen Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht resultierte. Trimbach berichtete von dem aktuellen verfassungsrechtlichen Disput um die Privatrechte der Hohenzollern. Letztendlich geht es darum, dass Prinz Wilhelm von Preußen den Nationalsozialismus unterstützt hat und damit nach dem Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 Erbansprüche verwirkt hat.
In der anschließenden von Dieter Galm moderierten Diskussion wurden unter anderem das Thema der Verankerung von Staatszielen im Grundgesetz, eine Wahlrechtsreform, das derzeitige Erstarken von rechtsnationalen politischen Kräften und die damit verbundenen Gefahren für unsere parlamentarische Demokratie angesprochen.
Beitrag: Rita Schaupp, Foto: Ernst Deier